Ungewöhnlich – so könnte man die ersten beiden Sitzungen des Kreistags Augsburg-Land vielleicht am passendsten beschreiben. Und das gleich in mehrerlei Hinsicht.

Beide Sitzungen des Kreistags fanden in der Stadthalle Neusäß statt

Aufgrund der Corona-Pandemie trafen sich die 70 Mandatsträger*innen nicht wie üblich im Sitzungssaal des Landratsamts, denn dort wäre der notwendige Mindestabstand zwischen allen Kreisräten und Kreisrätinnen nicht einzuhalten gewesen. Die „Abiturbestuhlung – ein Tisch pro Kreistagsmitglied“ weckte sicherlich die eine oder andere Erinnerung, zumindest war auch hier die Diskussion und der Meinungsaustausch durchaus erschwert, denn es konnte nur mit Mund-Nasenschutz von einem der im Saal aufgestellten Mikrofone gesprochen werden. So saßen die neuen 12 GRÜNEN Kreistagsmitglieder in einer beachtlich langen Reihe hintereinander – Blickkontakt war nur begrenzt möglich.

Wir sind zweitstärkste Fraktion – Keine Stellvertretung des Landrats, aber aus eigener Kraft in jedem 14er Ausschuss mit drei GRÜNEN vertreten.

In der ersten konstituierenden Sitzung wurden die Stellvertretungen des Landrats gewählt. Die GRÜNE Fraktion hatte einen Antrag eingereicht, die Anzahl der Stellvertreter*innen des Landrats von bisher drei auf vier zu erhöhen. Damit hätten sowohl die Interessen der CSU-SPD-Koalition gewahrt werden, als auch die zweitstärkste Fraktion im Kreistag, nämlich die GRÜNE Fraktion, berücksichtigt werden können. Zwar war bald schon klar, dass CSU und SPD hierbei nicht mitziehen würden, dennoch haben die GRÜNEN ihren Anspruch auf Berücksichtigung formuliert.

Silvia Daßler, Fraktionsvorsitzende: “Unser Landkreis ist der größte in Schwaben und der drittgrößte in Bayern. Angesichts der schwierigen Corona bedingten Situation, der großen Herausforderungen in den Bereichen Klimaschutz, Mobilitätswende, demografischer Wandel, Integration und Inklusion, Neubau und Sanierung unserer Bildungseinrichtungen hätten wir uns eine weitere Stellvertretung bei gleichbleibenden Kosten, gut vorstellen können. Die Ablehnung unseres Vorschlags durch die Mehrheit des Kreistags akzeptieren wir natürlich, auch wenn wir dies als vertane Chance sehen, die zukünftige Arbeit auf eine breitere Basis zu stellen. Wir werden jedenfalls konstruktiv-kritisch und inhaltlich im Kreistag und an der zukunftsfähigen Entwicklung unseres Landkreises mitarbeiten und dafür sind wir sehr gut aufgestellt. Wir sind in jedem 14er Ausschuss in Zukunft mit drei Kreisrät*innen vertreten und dort werden wir uns mit unserem Engagement, mit unseren Ideen und mit unserer Kompetenz einbringen“.

In jedem Gremium sind GRÜNE mit einer Vertretung außer im AVV, der WBL und der AVA

In der zweiten Sitzung des Kreistags ging es dann um die Besetzung der weiteren Gremien, wie Zweckverbandsversammlungen und Aufsichtsräte in Beteiligungen des Landkreises. Nachdem hier kein gesetzlich festgelegtes Berechnungsverfahren Anwendung findet und auch keine sog. Spiegelbildlichkeit Voraussetzung für die Benennung der zu entsendenden Mitglieder ist, war es doch sehr spannend, wie die Besetzung erfolgt, welche Fraktion bzw. Gruppierung welche Sitze erhält. Dass hier die verschiedenen Interessen und Wünsche bedient werden sollten, war natürlich absehbar. Dennoch ist es enttäuschend, dass wir als zweitstärkste Fraktion weder im Aufsichtsrat des Abfallzweckverbands, noch der Wohnungsbaugesellschaft und auch nicht des AVV vertreten sind und das, obwohl dies Themenbereiche betrifft, die von unserer Fraktion schon in der Vergangenheit intensiv und kompetent bearbeitet worden sind. Gerade das Thema Wohnungsbaugesellschaft machte uns deutlich, dass es hier in erster Linie darum ging, Interessen zu bedienen: die Besetzung von 5 Sitzen im Aufsichtsrat der WBL mit 4 Vertretern der CSU und mit einem Vertreter der SPD ist anders nicht zu erklären. Spannend wird es noch, wie SPD und CSU beim Thema Tarifreform zusammenarbeiten werden; denn bisher war die SPD eine heftige Kritikerin der Tarifreform, während die CSU diese Reform unterstützt hat, die gerade für den ländlichen Raum des Landkreises Verbesserungen gebracht hat. Gespannt darf man deshalb auch darauf sein, wie SPD/CSU mit den Ergebnissen der Evaluation umgehen werden und wie mit der geplanten Tariferhöhung.

Konstruktiv dabei – von Anfang an

Die GRÜNE Fraktion hat von Anfang an -trotz Corona- mit der Arbeit begonnen. So haben wir ausführliche Anträge für eine neue Geschäftsordnung des Kreistags gestellt. Wir wollen, dass die Geschäftsordnung „zukunftsfähig“ wird.

Wie kann sich unser Landkreis nachhaltig, zukunftsfähig und sozial gerecht weiterentwickeln?

Nicht erst seit „Corona“, aber nun umso dringlicher, muss beraten und diskutiert werden, wie sich unser Landkreis wieder weiterentwickeln kann, wie Strukturen nachhaltig aufgebaut werden können um die aktuelle Krise zu bewältigen und auf zukünftige Krisen gut vorbereitet zu sein. Wie können wir uns aktuellen und zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklungen stellen? Welche Strukturen braucht die Arbeit im Kreistag hierfür? Deshalb schlagen wir an einigen Stellen der künftigen Geschäftsordnung des Kreistags Änderungen vor.

Anträge zur Geschäftsordnung

1. Einrichtung eines „Kreisentwicklungsausschusses“

Unsere Fraktion möchte den Themen, die für die Entwicklung unseres Landkreises zunehmend wichtig sind -wie beispielsweise die Weiterentwicklung des ländlichen Raums, die regionale Wirtschaftsförderung, Tourismus, Digitalisierung und einiges mehr- konzentriert und im Zusammenhang einem Ausschuss zuordnen. Die Aufgaben sollen u.a. sein: Regionale Wirtschaftsförderung – Entwicklung ländlicher Raum Förderung der (ökologischen) Landwirtschaft und Direkt- und Regionalvermarktung – Tourismus – Digitalisierung – Projekte der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit.

2. Einrichtung eines Ausschusses für Soziales, Familie, Gesundheit und Integration

Neben der wirtschaftlichen Entwicklung stehen für unsere Fraktion die Weiterentwicklung und Stärkung unseres Landkreises im Hinblick auf das gute Zusammenleben, die Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit im Mittelpunkt. Gerade die Themen Soziales, Familien, Gesundheit und Integration sind Themen, die angesichts der Entwicklungen in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen. Deshalb sollten diese Themen ebenfalls einem Ausschuss des Kreistags zugeordnet werden. Aufgaben dieses Ausschusses sollten u.a. sein: Inklusion – Integration – Gesundheitswesen – Prävention – Demografie – Bürgerschaftliches Engagement – Zuständigkeit für und Zusammenarbeit mit dem Beirat für Soziales und Seniorenfragen – Zuschusswesen für soziale Projekte und Maßnahmen.

3. Der Schul- und Kulturausschuss wird umbenannt in Ausschuss für Schule, Bildung, Kultur, Ehrenamt und Sport

Das Thema Bildung ist ein gesellschaftliches Megathema und findet nicht nur in der Schule statt. Gerade unser Landkreis, der sich als Bildungsregion versteht, muss dieses Megathema ganzheitlich betrachten und daher die Phasen der frühkindlichen, schulischen, betrieblichen und universitären Bildung sowie der (betrieblichen) Weiterbildung einen hohen Stellenwert einräumen. Diesem wollen wir durch die Umbenennung und der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Rechnung tragen. Des Weiteren ist das Thema Kultur fortzuführen, ergänzend um die Bereiche Ehrenamt und Sport, die in unseren Augen große Schnittmengen mit dem Bildungsbereich besitzen und durch das Auftauchen in der Namensnennung und der zukünftigen gestärkten thematischen Arbeit des Ausschusses auch den Bürger*innen unsere Wertschätzung zeigt.  

4. Der Umwelt- und Energieausschuss wird umbenannt in Ausschuss für Umwelt, Klima, Energie und Mobilität

Die Themen Klima und Mobilität sind ebenfalls für eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung unseres Landkreises wesentlich. Sie werden bisher schon im Umwelt- und Energieausschuss behandelt. Durch die Benennung in der Bezeichnung des Ausschusses wird diese Bedeutung und die klare Zuständigkeit hervorgehoben. Aufgaben dieses Ausschusses sollten u.a. sein:

Umwelt- und Naturschutz – Landschaftspflege – Klima – Mobilitätskonzepte (Rad, ÖPNV, SPNV) – Energie, Ausbau der regenerativen Energien, Energie-Einsparmaßnahmen – Beteiligung bei Bauangelegenheiten für den Bereich Klima, Energie, ÖPNV-Anbindung in gemeinsamen Sitzungen mit den Fachausschüssen.

5. Ältestenrat statt Fraktionsvorsitzendenrunde

Die Fraktionsvorsitzendenrunde wird überführt in ein Gremium des Kreistags, das in der GeschO geregelt ist. Dies dient der Transparenz und Klarheit über Funktion und Zusammensetzung des Gremiums.

6. Ferienausschuss – „Notkreistag“

Für Zeiten, in denen es nicht möglich ist, die zuständigen Ausschüsse oder den Kreistag für anstehende Entscheidungen einzuberufen (Ferienzeit, siehe Not-Kreistag in der „Corona-Krise“), soll in der neuen GeschO ein entsprechendes Gremium vorgesehen werden.

7. Überarbeitung der GeschO im Hinblick auf geschlechtergerechte Sprache

Zur Umsetzung geschlechtergerechter Sprache soll als Schreibweise der sog. Genderstern (hochgestellter Asterisk) angewendet werden. Die sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter ist für eine erfolgreiche Gleichstellung von hoher Bedeutung. Die Verwendung der generisch maskulinen Schreibweise ist hierfür nicht ausreichend. Frauen werden durch sie nicht erwähnt und sind somit unsichtbar. Es reicht nicht, beispielsweise Kreisrätinnen oder Bürgerinnen einfach „mit zu meinen“. Ziel muss es sein, Männer, Frauen und weitere Geschlechtsidentitäten gleichermaßen anzusprechen und sichtbar zu machen. Geschlechtergerechte Sprache mit dem Genderstern als Platzhalter für mögliche Geschlechter und Geschlechtsidentitäten kann dies leisten. Dabei ist geschlechtergerechte Sprache weder umständlich noch lang. Sie zeugt aber von dem parteiübergreifenden Ziel der Geschlechtergerechtigkeit und von konsequenter Gleichstellungspolitik.

8. Sitzungszwang, Teilnahme- und Abstimmungspflicht

Angesichts von Corona sollte diese Vorschrift ergänzt werden, soweit dazu rechtliche Möglichkeiten bestehen und hier z.B. ggfs. der Verweis auf Videokonferenzen und Fassung von Beschlüssen im Umlaufverfahren aufgenommen werden. Und weiter: Die schriftlich eingereichten Anträge sollen den Fraktionen, Ausschussgemeinschaften, Gruppen sowie weiteren Kreistagsmitgliedern (Einzelkreisrät*innen) rechtzeitig vor den Sitzungen (elektronisch) zugeleitet werden.

Auswirkungen der Corona-Pandemie

Und natürlich beschäftigen uns auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie z.B. auf den Kreishaushalt, auf die Opfer von häuslicher Gewalt und auf das Schulleben.

Berichtsantrag zu Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Kreishaushalt

Corona erfordert zum Schutz der Bevölkerung weitreichende Maßnahmen, die nicht nur unser gesellschaftliches Leben stark beeinträchtigen, sondern auch unsere heimische Wirtschaft in allen ihren Facetten stark treffen. Dies alles wirkt sich voraussichtlich auch auf die finanzielle Situation des Landkreises aus – Mehrausgaben / Mindereinnahmen, was durchaus Folgen für unseren Haushalt haben könnte.

Antrag zum Thema Hilfe für Opfer häuslicher Gewalt gerade auch in Corona-Zeiten

Seit Jahren mangelt es in bayerischen Frauenhäusern, auch in unserer Region, an genügend Plätzen für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt werden. Nun wird von den Fachleuten befürchtet, dass in Folge der in der Corona-Krise getroffenen Maßnahmen wie Quarantäne, Ausgangsbeschränkungen, Besuchsverbote, Einstellung der Kinderbetreuung und des Schulbesuchs, Homeoffice einhergehend mit zunehmend sozialen und finanziellen Problemen eine drastische Zunahme an häuslicher Gewalt zu erwarten ist. Zahlen aus dem Ausland hatten erschreckend aufgezeigt, wie Gewalt gegen Frauen in Corona-Zeiten weiter eskaliert. Die Betroffenen stehen unter extremer psychischer Anspannung, denn gerade jetzt haben viele Frauen kaum – und Kinder gar nicht – eine Möglichkeit, sich unbemerkt Hilfe zu holen, da die Familien ja permanent, und oft auf engstem Raum, zusammen sind. Die eh schon oft schwierige Situation der hilfesuchenden Frauen verschärft sich in dieser Situation weiter.

Corona und Schulalltag

Corona hat den Schulalltag kräftig durcheinandergewirbelt. Auch wenn nun langsam wenige Schülerinnen und Schüler wieder allmählich in die reale Schule zurückkehren, wird noch ein Großteil der Schülerschaft auch im kommenden Schuljahr 2020/21, vielleicht sogar darüber hinaus, von den (Spät)Folgen direkt betroffen sein. In der 1. Sitzung des für die Schulen zuständigen Fachausschusses soll deshalb die Schulverwaltung über den aktuellen Sachstand hinsichtlich der Corona-Folgen auf die Landkreisschulen berichten. In dem Bericht soll u.a. auf folgende Fragen eingegangen werden:  Welche Konzepte werden an den Landkreisschulen aktuell angewandt, um den staatlichen Vorgaben gerecht zu werden und in welcher Weise wurden dabei die Schulleitungen und Lehr-Kollegien unterstützt?  Besteht aktuell schon das Wissen, ob wir an unseren Landkreisschulen dringende Maßnahmen einleiten müssen, um im kommenden Schuljahr einen flächendeckenden Schulbetrieb zu gewährleisten? Wie hat das Homeschooling an Landkreisschulen aufgrund der technischen Voraussetzungen funktioniert? Wie kann man sicherstellen, dass lernschwache und/oder digital unzureichend ausgestattete Schüler*innen nicht abgehängt werden? Wird seitens der Landkreisschulen weiteres technisches Equipment benötigt? Wie hat sich die Nachfrage nach Angeboten der Schulsozialarbeit verändert und sollte man das Angebot der Schulsozialarbeit den aktuellen Gegebenheiten anpassen? Welche Mehrausgaben sind im Schulhaushalt zu erwarten?  Welche Maßnahmen werden ergriffen, um Lehrer*innen auf die durch Corona veränderten Rahmenbedingungen und Herausforderungen in der Betreuung und im Schulunterricht vorzubereiten? Welche kurzfristigen Weiterbildungsangebote im Bereich digitaler Unterricht wurden den Lehrer*innen in unserem Landkreis angeboten?

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