Am Sonntag, 14. April 2024 fand unser traditioneller Frühjahrsempfang mit über 80 Gästen aus Politik und Gesellschaft statt, dieses Jahr im Fuchsbau des Landratsamtes. Als GRÜNE Kreistagsfraktion haben wir zusammen mit unserem GRÜNEN Kreisverband Augsburg-Land eingeladen, um gemeinsam mit Optimismus und Zuversicht die Gelegenheiten und Chancen dieser schwierigen Zeiten zu erkennen und zu nutzen.

Friedenssicherung, Klimaschutz, Demokratiestärkung – die Herausforderungen sind groß, europäisch und global. Auch die Kommunalpolitik ist zunehmend von europäischen Entscheidungen betroffen. Aus diesem Grund lag der Schwerpunkt unseres Frühjahrsempfangs heuer auf Europa.

Wir haben uns sehr über die Impulse unserer beiden GastrednerinnenBarbara Lochbihler und Andie Wörle, gefreut, über die Beiträge unserer beiden Stimmkreisabgeordneten Cemal Bozoğlu und Max Deisenhofer sowie über das Grußwort unseres Landrats Martin Sailer.

Begrüßungsrede der Fraktionsvorsitzenden im Kreistag Augsburg-Land, Silvia Daßler

(Es gilt das gesprochene Wort.)

Ich begrüße Sie und Euch zum GRÜNEN Frühjahrsempfang 2024 ganz herzlich im Namen der gesamten GRÜNEN Kreistagsfraktion und des GRÜNEN Kreisverbandes. Es tut gut Sie und Euch heute hier so zahlreich zu sehen, gerade weil uns GRÜNE zur Zeit doch oft ein eher rauer Wind entgegenweht.

Seid alle ganz herzlich willkommen. Ich würde gerne jede und jeden von Euch persönlich begrüßen, doch dies würde eindeutig den zeitlichen Rahmen sprengen und sich kennenlernen (und Namen und Funktionen sich merken) ist sicherlich später im direkten Gespräch bei Musik, Essen und Trinken einfacher. Musik ist das Stichwort, um ganz herzlich die Jazz-Band, das A n‘ D Sharp Trio von Andreas Scharf am Kontrabass, Wolfgang Weber an der Trompete und Vicky Konrad an der Gitarre, zu begrüßen, die uns heute musikalisch begleiten werden.

Namentlich begrüßen möchte ich gerne Herrn Bezirkstagspräsidenten und Landrat Martin Sailer, den Hausherrn, vielen Dank dafür, dass wir hier zusammenkommen können. Begrüßen möchte ich auch ganz herzlich:

  • Herr Dr. Jürgen Idzko, Vorsitzender des Stiftungsvorstands der Bürgerstiftung Augsburger Land e. V.
  • Frau Gertrud Gokorsch, Vorsitzende des Sozialverbands VdK Kreisverband Augsburg
  • Frau Silke Klos-Pöllinger, Regionsgeschäftsführerin und Vorsitzende des DGB-Kreisverbands Augsburg
  • Frau Fernanda Kerckhoff, Integrationslotsin für die Stadt Augsburg 
  • und unsere GRÜNEN Kolleginnen und Kollegen aus Augsburg, Christl Kamm, Sprecherin für Bauen und Serdar Akin, Sprecher für Finanzen, Integration, Interkultur, Sport und Hochschulpolitik,
  • sowie die GRÜNEN Vorständ*innen aus unseren Nachbar-Kreisverbänden Dillingen, Angela von Heyden und Constantin Jahn, und Landsberg, Andreas Tchorsch

Und natürlich begrüße ich auch ganz herzlich unsere Referentinnen: Barbara Lochbihler, ehem. Europaabgeordnete und derzeitige Vizepräsidentin der Europäischen Bewegung und Andie Wörle, unsere Kandidatin für Europa, sowie unsere Landtagsabgeordneten Max Deisenhofer und Cemal Bozoglu. Euch und Ihnen allen ein herzliches Willkommen.

Wir blicken zurück auf schwierige Zeiten, deren Ende noch nicht absehbar ist und die einen großen Zusammenhalt der demokratischen Kräfte erfordert, gerade auch auf europäischer Ebene. Um in diesen Zeiten zu bestehen, braucht es Haltung und ein gewisses Maß an Optimismus und Zuversicht, um die Gelegenheiten und Chancen dieser unserer Zeit zu erkennen und das Beste für unsere Gesellschaft daraus zu machen. Was das Beste ist, wird sicherlich von den verschiedensten Gruppierungen unterschiedlich eingeordnet, aber das gemeinsame Ringen um Lösungen ist das Wesen einer vielfältigen Demokratie. Allerdings ist Voraussetzung für einen funktionierenden Diskurs, dass Alle sich an Spielregeln halten: Fakten zur Kenntnis nehmen, faire Diskussionen führen und Lösungen finden auf dem Boden unseres Grundgesetzes – ohne Hass und Hetze.

Warum hat die Grüne Kreistagsfraktion nun für den diesjährigen Frühjahrsempfang Europa als Schwerpunktthema gesetzt?

Natürlich: Es findet in diesem Jahr die Wahl zum europäischen Parlament statt und es wird von größter Bedeutung sein, dass es gelingt die demokratischen Parteien zu stärken und die Spalter und Hetzer möglichst klein zu halten.

Auf den ersten Blick für Viele vielleicht erst einmal kein kommunalpolitisches Thema. Aber nur auf den ersten Blick: Was auf europäischer Ebene passiert, hat oft unmittelbare oder zumindest mittelbare Auswirkungen auf unser kommunales Handeln, auf unser Zusammenleben hier vor Ort. Die Kommunen sind in vielfältiger Weise mit der europäischen Ebene verflochten. Was als Städtepartnerschaften oder in Freundschaftsvereinen lange vor dem europäischen Integrationsprozess begann, ist heute zu einem dichten europäischen Netzwerk geworden.

Nicht nur durch ihr jahrzehntelanges europäisches Handeln sind die Kommunen ein wichtiger europapolitischer Akteur, sondern weil sie regelmäßig für die Umsetzung wichtiger europäischer Vorhaben und Projekte zuständig sind. Die EU-Ebene kann zum Beispiel die Losung „Vorfahrt für erneuerbare Energien“ ausgeben. Planungsrechtlich, baurechtlich und verwaltungstechnisch umgesetzt werden muss diese Politik aber vor allem auch auf der lokalen Ebene. Hier sind die Landkreise und Kommunen besonders gefordert. Auf der anderen Seite sind die Kommunen auch vielfach Nutznießer europäischer Förderungen (Anm.: wenn sie diese denn auch kennen). Insbesondere im Bereich der Strukturförderungen, aber auch im Bereich der Arbeitsmarktförderinstrumente oder bei sozialen Projekten unterstützt die EU Kommunen aus verschiedenen Fonds. So stellt die Förderung im Rahmen von LEADER eine wichtige finanzielle Unterstützung bei der Entwicklung kommunaler Projekte im ländlichen Raum dar. Mehr als 70 Prozent der in der Europäischen Union beschlossenen Regelungen haben Einfluss auf die Kommunen: entweder betreffen sie direkt kommunale Zuständigkeitsbereiche oder berühren die Kommunen indirekt als eine der mitgliedstaatlichen Ebenen, die EU-Recht umsetzen. Europapolitik ist in diesem Sinne über weite Strecken Kommunalpolitik.

Friedenssicherung, Demokratieverteidigung und die Stärkung von Demokratie, Klimaschutz und Pandemien sind große Herausforderungen, sie sind europäisch, global und auch kommunal.

So sind die Kommunen sehr konkret von diesen globalen Herausforderungen betroffen: Corona-Pandemie, Flucht und Migration, Klimakatastrophe – auch sie werden in unseren Kommunen deutlich spürbar und haben nicht zuletzt Auswirkungen auf das Zusammenleben vor Ort und nicht zu vergessen auch auf die kommunalen Haushalte.

Dies war auch bei den Beratungen zum Haushalt 2024 für unseren Kreistag immer wieder Thema. Es galt ein hohes Anfangsdefizit in den Griff zu bekommen, was u.a. erforderlichen, neuen und erhöhten Ausgaben geschuldet war. Nach vielen Diskussionen, Beratungen und Einsparungen ist der Haushaltsausgleich für 2024 gelungen. Allerdings ist klar, dass auch die kommenden Jahre nicht einfacher werden, im Gegenteil.

Viele Fragen sind letztendlich noch nicht gelöst:

  • Wie geht es weiter mit dem ÖPNV, mit der Mobilitätswende, mit dem Klimaschutz und der CO2-Einsparung? Wie können die Ziele hierzu, die von Bund und Land und EU vorgegeben wurden und werden, erreicht werden? Es handelt sich hierbei um sog. Freiwillige Leistungen, die angesichts der Finanznot vieler Kommunen, so auch unseres Landkreises, auf dem Prüfstand stehen. Woher kommen die dafür nötigen Finanzmittel?
  • Wie können soziale, kulturelle Errungenschaften und Projekte in Zukunft erhalten, fortgeführt und wo nötig weiterentwickelt werden? Ebenfalls zum großen Teil freiwillige Leistungen. Woher kommen die dafür nötigen Finanzmittel?
  • Wie geht es weiter mit der Gesundheitsversorgung und den Krankenhäusern im Landkreis?

Dies sind nur einige Fragen auf die es dringend eine Antwort braucht, vielleicht neben Bund und Freistaat auch von der EU.

Europa ist und bleibt für mich nicht zuletzt auch ein großes Friedensprojekt, das nicht scheitern darf, das Optimismus und Zuversicht braucht.

Ich denke dazu werden unsere Referentinnen und Referent uns Einiges sagen können.

Und nun übergebe ich an unseren Landtagsabgeordneten Max Deisenhofer. Max hat sich bereit erklärt durch unseren Frühjahrsempfang zu führen. Herzlichen Dank dafür Max. Du bist seit 2018 für die GRÜNEN im Bayerischen Landtag aktiv, du bist Medienrat und Sprecher für Sport. Max unterstützt engagiert unsere Arbeit im Kreistag und im Kreisverband und hat immer ein offenes Ohr für unsere Themen und Probleme vor Ort. Lieber Max: herzlichen Dank dafür.

Und damit es auf gar keinen Fall untergeht, möchte ich mich jetzt schon von Herzen bedanken bei all den helfenden Menschen, die es ermöglicht haben, dass wir uns heute hier treffen können, namentlich nennen möchte ich: Juliane Vinzelberg, die immer ein offenes Ohr hat und stets den Überblick bewahrt – herzlichen Dank, Dank auch meiner Fraktionskollegin Margit Stapf, die sich darum gekümmert hat, dass wir heute die tolle Musik vom A n‘ D Scharp Trio hören konnten und meiner Kollegin Uschi Jung, die alle Absprachen mit dem engagierten Landratsamtsteam um Frau Mayrock und mit den Kantinenmitarbeiter*innen getroffen hat. Vielen Dank Allen.

Festrede von Barbara Lochbihler: „Europa und europäische Demokratien stärken!“

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freund*innen,

Danke für die Einladung. Ich bin gerne hier und freue mich auch einige Bekannte wieder zu sehen und zu sehen, dass Ihr das Kämpfen für ein stärkeres Europa, für menschenfreundliche und demokratische Gesellschaften nicht in die Ecke gestellt habt.

Das Thema meines Vortrags „Europa und europäische Demokratien stärken“, ist aktueller denn je.

Europas Grundwerte sind Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte.

Doch in den letzten Jahren haben nationale und nationalistische, populisitsche und völkisch-rassistische Parteien die Grundprinzipien der Europäischen Einigung angegriffen und ausgehöhlt. Europa zeichnet sich durch Vielfalt und ein Miteinander verschiedener Religionen, Sprachen und Kulturen aus. Um noch besser zusammen zu wachsen und diese Vielfalt und Offenheit in unseren europäischen Gesellschaften zu erhalten, müssen wir stärker und entschiedener gegen Hass und Menschenfeindlichkeit gegenüber bestimmten Gruppen vorgehen.

Seit Anfang des Jahres sehen wir, wie sich in der ganzen Republik Hunderttausende von demokratisch gesinnten Menschen, in Stadt und Land, auf die öffentlichen Plätze und Straßen begeben und fordern mit dem Hetzen, dem Hass aufzuhören und den zunehmenden, gezielten Angriffen auf unsere demokratischen Strukturen die Stirn zu bieten.

Am 3. Februar, hat sich das bundesweite Bündnis „Hand in Hand – Wir sind die Brandmauer“ gegründet, um den Kampf gegen Rechts zu unterstützen, gegen Spaltung und für Demokratie. Das ist ermutigend und tut gut, so viele Menschen auf den Straßen zu sehen. Auch hier in Augsburg war das sehr eindrucksvoll.

Denn Demokratie stärken und Frieden wahren – heißt sich rassistischen und menschenfeindlichen Rechtsextremisten entgegenzustellen und nicht zu warten, zu erstarren und allein zu hoffen, dass die Gefahr der Zerstörung unserer Demokratie nicht eintreten möge.

Das Geheimtreffen in Potsdam, von dem sich die AfD bis heute nicht distanziert hat, hat eindeutig das Projekt von Massendeportationen aus Deutschland erörtert, die mit dem Artikel 1, Absatz 1 des Grundgesetzes, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ unvereinbar sind. Hier wird einem Gesellschaftsmodell das Wort geredet und konkret geplant, das mit unserem jetzigen Gesellschaftsmodell nicht vereinbar ist. Es geht um gegensätzliche Modelle: um eine offene Gesellschaft, gegen eine autoritäre Gesellschaft. Um eine liberale gegen eine illiberale Demokratie, um eine Gesellschaft der Rechtstaatlichkeit gegen das Recht des Stärkeren.

Den Nationalisten und Anti-Demokraten dürfen wir nicht das Feld überlassen und es ist höchste Zeit, sich deutlich und aktiv für ein weltoffenes, demokratischen Deutschland, ein starkes Europa und eine solidarische Weltgemeinschaft einzusetzen.

Als Menschenrechtlerin frage ich mich natürlich, ob es in diesen Zeiten noch zeitgemäß ist, sich für Menschenrechtsschutz einzusetzen. Doch auch heute bin ich überzeugt: Menschenrechte sind kein Schönwetterkonzept, sondern für stürmische Zeiten gemacht. Für Momente, in denen Konflikte eskalieren, die Emotionen hochkochen und nach Freund und Feind sortiert wird. Für Zeiten wie jetzt.

Niemand darf in Europa für seine Herkunft, sein Aussehen, seinen Glauben, sein Geschlecht oder seine sexuelle Orientierung diskriminiert oder angefeindet werden. Es geht immer um den Schutz und die Achtung der Menschenwürde.

Menschenwürde bedeutet, dass jeder Mensch wertvoll ist, weil er ein Mensch ist. In Artikel 1 (1) des Grundgesetzes steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Jede und Jeder hat Anspruch auf den Schutz und die Gewährleistung der Menschenrechte, qua Menschsein und dies gilt für alle Menschen strikt gleich.

Im Deutsches Grundgesetz steht zudem: „Das Deutsche Volk bekennt sich zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“

Meine Erfahrungen bei Amnesty International in den 2000er Jahren und dann als GRÜNE Europaabgeordnete mit dem Schwerpunkt Menschenrechtspolitik bis 2019 haben mir auch in extremen Krisensituationen immer wieder gezeigt: Der Schutz der Menschenwürde durch die Menschenrechte muss absolutes Gebot sein und bleiben und ist immer wieder gegen staatliche Willkürherrschaft zu verteidigen.

Es gab und gibt Bestrebungen, die international anerkannten Menschenrechte zu relativieren und das Menschenrechtsschutzsystem zu untergraben. Das geht fast ausschließlich von Regierenden aus, deren Hauptinteresse der eigene Machterhalt ist. Dies bedeutet, nach innen definierte der autoritären Staat und seine Eliten, welche gesellschaftlichen Werte gelten. Und in der Außenpolitik dieser autoritären Staaten zeigt sich dies vor allem in der Zurückweisung von „westlicher“ Kritik. Dabei geht und ging es nie darum, für alle Staaten und Gesellschaften eine Gleichförmigkeit herzustellen, nach westlichem Vorbild.

Menschenrechte sind universell gültig. Dies bedeutet eben nicht Uniformität oder kulturelle Einheitlichkeit. Kern des Universalitätsdiskurses ist die angeborene gleiche Würde eines jeden Menschen, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formuliert wurde und Grundlage der menschenrechtlichen Normsetzung ist. Dies gilt es immer wieder anzuerkennen und zu verteidigen.

Angesichts von Kriegen, Konflikten, Hungersnöten und Klimakrise ist globales und kooperatives Handeln dringend geboten. Gerade angesichts grausamer Kriegsverbrechen ist die Verteidigung der Menschenwürde absolut notwendig.

Absolut notwendig und durch nichts zu ersetzen, ist auch die Stärkung einer regelbasierten Weltordnung, die Weiterentwicklung und Umsetzung internationaler Rechtsnormen und nicht das Tolerieren und Verharmlosen des Rechts des Stärkeren, das wir immer und immer wieder sehen. Die Europäische Union sollte aktiv an einer globalen, multilateralen Friedensordnung im Rahmen der Vereinten Nationen mitarbeiten. Sie muss darauf hinwirken, dass die Vereinten Nationen wieder handlungsfähiger werden und das Völkerrecht eingehalten wird.

Eine lebendige europäische Demokratie bildet die Grundlage für eine Rückkehr in eine friedvolle Zukunft. Besonders in diesen Zeiten, in denen die liberale Demokratie von innen wie auch von außen bedroht wird und Debatten sich zunehmend im digitalen Raum vollziehen, muss sie unter Einbindung gesellschaftlicher Kräfte repräsentativ, pluralistisch und transparent gestaltet sein und auf die Einhaltung als auch Förderung europäischer Werte und Grundrechte basieren.

Ein Glück, dass die Polinnen und Polen wieder eine Regierung gewählt haben, die pro-europäisch ist, Rechtsstaatlichkeit schätzt und die EU so insgesamt wieder handlungsfähiger macht. Die Entwicklungen in Ungarn sind hier nicht vielversprechend. Dennoch gilt: die Achtung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten und den Beitrittskandidaten muss für die EU einen hohen Stellenwert haben. Dabei muss sie auf Dialog, Stärkung der europäischen Institutionen und wirksame Sanktionen setzen. Verletzungen der Regeln müssen wirksame Gegenmaßnahmen, wie Haushaltskürzungen und Sanktionen auf Basis von Art. 7 Europäischer Verträge bzw. Vertragsverletzungsverfahren, zur Folge haben.

Europa stärken heißt auch, eine Menschenrechte achtende Politik der Kommission auszubauen und die von der EU beständig hervorgehobenen Werte, die dieser Politik zugrunde liegen sollen, einzufordern oder anzumahnen.

Leider muss ich hier mit einem Blick auf die Migrations- und Flüchtlingspolitik der EU, attestieren, dass es der EU immer weniger gelingt, sich an Flüchtlingsrechten zu orientieren. Ja mehr noch, ich sehe eigentlich keine Anstrengung mehr von Seiten der Kommission, aber auch auf Seiten der Mitgliedstaaten, sich hier zu bessern.

Bis heute haben die EU-Mitgliedsstaaten keine überzeugende gemeinsame, menschenwürdige und humanitäre Antwort auf Migration und Flucht gegeben.

Dabei war und ist Europa ein Kontinent der Migration. Menschen sind seit Jahrhunderten innerhalb Europas von einem in ein anderes Land gezogen, oder haben den Kontinent verlassen, darunter auch viele Schwaben und Schwäbinnen: aufgrund wirtschaftlicher Not und politischer Verfolgung wanderten zwischen 1835/36 und 1889/90 aus Bayern über 600.000 Menschen in die Vereinigten Staaten aus.

Weltweit waren 2022 mehr als 103 Millionen Menschen auf der Flucht, mussten ihre Heimat verlassen, so Viele wie nie zuvor. Trotzdem werden Zäune gebaut, asylfeindliche Gesetze verabschiedet und Ressentiments gegen Geflüchtete geschürt.

Wir sehen immer noch Menschen an den Grenzen sterben, sei es am Mittelmeer, in der Sahara, an der Grenze zwischen Mexiko und den USA. Nach Angaben des UN Flüchtlingswerks sind letztes Jahr bei der Flucht über das Mittelmeer mehr als 3.000 Menschen gestorben, oder gelten als vermisst. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch viel höher.

Nun bin ich unabhängige Expertin im UN Komitee gegen Erzwungenes Verschwindenlassen in Genf. Auch hier untersuchen wir die Situation an den EU Außengrenzen, an denen Menschen mit Beteiligung staatlicher Akteure verschwinden. In Griechenland z.B. werden Flüchtende wiederholt über die Grenze aufs Meer zurückgedrängt, ohne Kleidung, ohne Handy, ohne dass ihr Schutzanspruch geprüft wird.

Die EU zögert noch immer eine stimmige Migrationspolitik auf den Weg zu bringen, ganz zu schweigen von der Harmonisierung der europäischen Flüchtlingspolitik. Statt gut handhabbare Regeln für eine reguläre Migration zu entwerfen, wird die gesamte Migration irregularisiert und illegalisiert. Auch der derzeit diskutierte Migrationspakt birgt weitere Einschränkungen für Menschenrechte von Geflüchteten.

Angesichts der Bedrohungen für das Menschenrecht auf Asyl gilt es auf jeden Fall, mutig zu bleiben. Gegen Abschottung und Gewalt an den EU-Außengrenzen braucht es eine starke Zivilgesellschaft, damit Europa endlich ein Garant für die Menschenrechte aller wird.

Wir beobachten einen Anstieg von Autokratisierung und Entdemokratisierung von Gesellschaften weltweit und in Europa. Parteien mit einer völkischen, nationalistischen und fremdenfeindlichen Programmatik haben in letzter Zeit stark dazu gewonnen. In ihrer Propaganda, ist oft der Fremde der Feind, der Anders-lebende, die Ursache für alle Probleme, die allerhöchste Gefahr, die in den Untergang führt. Ihnen allen gemein ist die zugrunde liegende Auffassung: die Würde des Menschen gilt nicht für alle Menschen in gleichem Maße und erst Recht nicht der Grundsatz alle Menschen sind gleich an Rechten und Pflichten.

Wenn wir die Demokratie stützen und stärken wollen, dann sollten wir uns selbst fragen, in welcher Demokratie wir leben wollen?

Wer wollen wir sein als demokratische Gesellschaft? Darum geht es, nicht mehr und nicht weniger.

Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir eine Gesellschaft sein wollen, in der Menschenverachtung einen Platz haben soll.

In unseren europäischen Demokratien erleben wir heftige und gezielte Angriffe auf unsere Institutionen. Kritik an der Regierung, an der EU, ist notwendig und selbstverständlich, doch es gilt zu unterscheiden, ist es Kritik die Veränderung und Verbesserung will, oder Kritik, die auf Zerstörung des Erreichten zielt.

So fordert die AfD Führung, namentlich Frau Weidel, ein Referendum, um über den Austritt aus der EU abzustimmen. Es sind jetzt 4 Jahre her, dass Großbritannien aus der EU ausgetreten ist.

Mit den gut dokumentierten Folgen: die Versorgungslage mit Lebensmitteln ist schlechter, viele Menschen sind in Armut abgerutscht, die Wohlfahrtsverbände können mit ihrer Unterstützung nicht mehr alle erreichen, usw. Dennoch vermarktet die AfD die Kritik an einer gelegentlich überbürokratischen EU, mit lauter Hetze gegen die da oben, die Eliten da in Brüssel, redet dem Heil im nationalen Wirtschaften das Wort, und weiß doch ganz genau, dass sie den erreichten Wohlstand bei uns damit aufs Spiel setzt.

Es ist also höchste Zeit, daß sich die Mitte der Gesellschaft, ob in Stadt oder Dorf, sich gegen diese spaltende und zerstörerische Politik stellt. Es ist höchste Zeit. Die hunderttausende von Bürger*innen, die überall auf die Straße gehen, machen mich zuversichtlich, aber nicht entspannt. Wir dürfen nicht nachlassen, die Absichten der rechtsnationalen und völkischen Parteien zu entlarven, auch in den sozialen Medien und überall dort, wo sie sich laut Gehör verschaffen und Anhänger gewinnen.

Rückblickend auf die Geschichte der Weimarer Republik, erkennt man, wie schnell aus einer vermeintlich unbedeutenden extremistischen Partei eine große politische Macht werden konnte. Und mir ist warnend ein Zitat von Erich Kästner in Erinnerung, der sagte: „Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens bis 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Eine Lawine hält keiner mehr auf.“

Unser Rechtsstaat darf nicht zu lange warten, er muss handeln. Die Angriffe der AfD auf die Menschenwürde liegen mittlerweile klar auf dem Tisch. Der Verfassungsschutz in Thüringen, in Sachsen und Sachsen-Anhalt kommt zum Ergebnis, dass die betreffenden Landesverbände der AfD gesichert rechtsextrem sind. Es muss alles getan werden um solche Parteiformationen und ihre Agenda der Zerstörung der Demokratie zu bremsen.

An dieser Stelle ein Aufruf an Sie alle: gehen Sie zur Wahl des Europäischen Parlaments am 9. Juni. Werben Sie Bekannte dafür, die noch nicht entschlossen sind zu wählen, denn es geht um viel. Und wählen sie Politiker*innen in das Europäische Parlament, die nicht zu den Feinden der Demokratie, nicht zu den Feinden eines freien und selbstbestimmten Lebens zählen.

Bei aller Kritik an einzelnen Politikfeldern der EU, können wir selbstbewußt diese EU betrachten, die es geschafft hat, Zitat Heribert Prantl, SZ 6.1.2024: „ nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges einen Sinn aus dieser Geschichte zu destillieren, nämlich aus einer Verfeindungsgeschichte eine Entfeindungsgeschichte zu machen. Europa wollte ein Vorbild sein dafür, wie Völker ohne Krieg und Gewalt zusammenleben können. Dieses Projekt ist noch nicht zu Ende.

Vieleb Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Auszüge aus den Ansprachen unser Gastredner*innen

Andie Wörle:

Wir wollen den Frieden erhalten und mein Opa hat mir als Jugendliche immer davon erzählt, wie er in den Krieg ziehen musste. Nie wieder Krieg, hat er bei der Brotzeit oft gesagt. Das habe ich bis heute nicht vergessen, aber leider ist Frieden in der Europäischen Union keine Selbstverständlichkeit mehr.

Die Ukraine muss Teil der Europäischen Union werden, sie tut grade alles dafür, unsere Werte zu verteidigen, deshalb lasst sie uns noch weiter unterstützen, solange es dauert. Eine starke Wirtschaft gibt es nur mit dem European Green Deal. Die Klimakriese ist die größte aller Krisen, die uns ereilen können, deshalb setzen wir uns auch dafür ein, dass unser Kontinent der erste klimaneutrale Kontinent wird.

Die CSU fährt einen Schlingerkurs für unsere Wirtschaft, aber unsere Unternehmen brauchen Planungssicherheit.

Wir wollen weg vom Öl, weg vom Gas und weg von der Kohle.

Mit uns wird es keine Allianzen mit Rechtsaußen geben, bei der CSU ist das aber nicht klar.

Ich möchte keine Scheindebatten führen, sondern über wichtige Themen sprechen wie eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, einen wirksamen Klimaschutz, über Menschenrechte und auch darüber, wie kleine Bauernhöfe in unserer Region weiterhin gestärkt werden können. Die europäische Union ist der schönste Ort der Welt und wir können ihn noch besser machen.

Cemal Bozoğlu:

Ich weiß noch, wie ich früher mit meinen Eltern in die Türkei gefahren bin. Dann mussten wir über fünf Grenzen fahren und immer die Währungen wechseln. Das kennen meine Kinder heute nicht mehr und diese Probleme gibt es nicht mehr, unser Leben ist in dieser Hinsicht leichter geworden. Man muss den Leuten öfter zurufen, wie wertvoll das ist.

Warum ist es in Bayern noch nicht möglich, dass die AfD als rechtsextrem eingestuft wird seitens des Verfassungsschutzes? Es ist Zeit dafür.

Wir haben in der Türkei keine Gewaltenteilung mehr und Meloni geht in Italien in dieselbe Richtung. Das ist eine Entwicklung, die uns bewusst sein muss. Wir müssen uns mit Rechtsextremismus beschäftigen, sowohl hier in Bayern als auch in ganz Europa. Wir müssen uns zusammentun und unsere Demokratie und unsere Rechtsstaatlichkeit verteidigen.

Max Deisenhofer:

Der Frühjahrsempfang der Grünen ist eine schöne TRADITION, die wir heute wieder vor vollem Saal fortsetzen können – in besonderen Zeiten. Vielen Dank für Eure Arbeit in der Fraktion, das ist die harte Kernarbeit, durch die viele wichtige Entscheidungen getroffen werden. Dafür muss man neben Zeit viel Leidenschaft und Engagement mitbringen, daher allen kommunalen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern vielen Dank!

Ich komme jedes Jahr gerne her und heute ganz besonders, weil uns die Europawahl bevorsteht. Parteiübergreifend ist heute auch Landrat Martin Sailer von der CSU da, mit dem wir GRÜNEN auf Bezirksebene sehr gut zusammenarbeiten. Das ist ein wichtiges Zeichen, gerade in Zeiten, in denen die AfD stärker wird und in denen Alle Angst vor einem Rechtsrutsch bei der Europawahl haben.

Martin Sailer:

Danke an Dich und Deine Fraktion für die konstruktive Zusammenarbeit. Politik ist ein bisschen schwieriger, wenn man den Gürtel enger schnallen muss, da muss man um gute Lösungen ringen. Ihr GRÜNE tut das ganz nachdrücklich. Jede Fraktion muss bei den Haushaltsberatungen das Gefühl haben, dass die eigenen Punkte auch eingebunden sind.

Der ÖPNV wird uns fordern, wir geben 16 Millionen Euro jedes Jahr dafür aus. Wenn Busunternehmen dann nicht mal in der Lage dazu sind, einen Fahrplan auszuhängen, dann kann ich das so nicht hinnehmen. Wenn es schon an den Kleinigkeiten scheitert, wie soll es dann mit den großen Themen weitergehen?

Seit 2008 haben wir rund 54 Millionen Euro in unsere Schulen investiert. Auch in Zukunft investieren wir fraktionsübergreifend in Bildung. Wir haben hier in Deutschland nur eine gute Zukunft, wenn es Europa gut geht. Deswegen sind diese Wahlen auch so wichtig. Wir müssen den Menschen zurufen, wofür die AfD steht, die Menschenrechte infrage stellt. In einer Zeit, in der Krieg wieder Mittel zum Zweck wird, ist es umso wichtiger, Europa eine Zukunft zu geben. Wir müssen weiterhin auch vom Bezirk Schwaben aus alles dafür tun, dass die Ukraine diesen Krieg nicht verliert, denn auch dort wird um die Freiheit in Europa gekämpft.

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