Silvia Daßler, Vorsitzende Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren

Vor einer Woche ist unsere Freundin und Fraktionskollegin Karin Kowalke völlig überraschend gestorben. Ihre Beisetzung wird heute um 14.00 Uhr sein. Sie alle werden verstehen, dass es für uns schwierig ist, die heutige Kreistagssitzung zu bewältigen und eine Haushaltsrede zu halten, während wir in Gedanken bei Karin und ihrer Familie sind. Wir haben daher entschieden, dass wir die Themen besonders hervorheben, die auch Karin sehr wichtig waren, um so vielleicht ihre Arbeit und ihr Engagement ein bisschen aufzeigen und würdigen zu können.

Karin Kowalke war ein politischer Mensch. Sie hat sich in vielen Bereichen engagiert und Verantwortung mit übernommen wie beispielsweise im Gemeinderat Gessertshausen, im Kreistag, im Bund Naturschutz, in der Flüchtlingsarbeit und in der Kirchengemeinde. Noch drei Tage vor ihrem Tod haben wir die Schwerpunkte für die anstehende Haushaltsdebatte diskutiert. Einig waren wir uns am Ende, dass wir die Verantwortung für diesen Haushalt mittragen, das heißt, dass unsere Fraktion dem vorliegenden Haushaltsentwurf zustimmt.

Gemeinsam haben wir den vorliegenden Haushalt für 2018 daraufhin diskutiert, ob er die Kriterien der Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit erfüllt. Nachhaltigkeit ist theoretisch so beliebt wie praktisch schwer umzusetzen.  Für uns bedeutet Nachhaltigkeit kurz gesagt, dass ökologische, soziale und ökonomische Belange gleichwertig sind und möglichst in Einklang gebracht werden sollen.

Karin war studierte Betriebswirtin und ihr war das Thema nachhaltige Finanzwirtschaft sehr wichtig. Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Finanzen des Landkreises bedeutet für uns eine weitere Haushaltskonsolidierung mit Schuldenabbau voranzubringen, dafür hatte sich Karin in der Fraktion und auch im AK Haushalt und Finanzen von Anfang an stark gemacht.

Wir halten es deshalb trotz der guten wirtschaftlichen und finanziellen Situation des Landkreises für richtig, die Kreisumlage nicht zu senken, sondern Schulden abzubauen und die Rücklage nicht völlig zu plündern um für die zukünftigen großen Investitionen, gerade auch im Bildungsbereich, ein gewisses Polster zu haben. 

Ein nachhaltiger Haushalt bemisst sich aber auch daran, ob in Projekte und Themen, die für unsere Zukunftsfähigkeit wichtig sind investiert wird.  Also in Bildung, Soziales, Klima- und Umweltschutz und Infrastruktur.

Der Landkreis Augsburg ist, um mit den Worten des Landrats zu sprechen (AZ vom 8. Juli 2017), eine Wachstumsregion.

Dies ist nicht zu leugnen, entscheidend wird sein, wie dieses Wachstum gestaltet wird. Aus GRÜNER Sicht ist Wachstum um jeden Preis nicht nachhaltig, Wachstum muss seine Grenze finden, wenn es zu Lasten der Umwelt und zu Lasten der Menschen geht. Deshalb war es für unsere Fraktionskollegin Karin Kowalke ein wichtiges Thema, wie die Ansiedlung großer Unternehmen so gestaltet werden kann, dass die Umwelt weit möglichst geschont wird, dass die dort dann arbeitenden Menschen gut leben können, dass sie die nötige Infrastruktur mit gutem  ÖPNV und vor allem ausreichend bezahlbaren Wohnraum vorfinden. Hier sehen wir sowohl die Unternehmen in der Verantwortung, als auch alle politischen Ebenen.

Ein geflügeltes Politikerwort der letzten Monate um nicht zu sagen der letzten Jahre, lautete „wir stehen vor großen Herausforderungen“. Wir wollen dies nicht bejammern und beklagen, wir wollen, dass diese konkret benannt werden, dass wir über Lösungsmöglichkeiten beraten und diese konsequent umsetzen und dass wir dabei Kreativität und Mut zum Weiterdenken zulassen.

Eine der großen Herausforderungen ist die Bewältigung der Verkehrsprobleme und die Wohnungsnot, die auch in Zusammenhang mit neuen großen Projekten, wie z. B. der kommenden Uniklinik, bewältigt werden müssen.

Über Probleme nachzudenken und dann anzupacken entsprach Karins Naturell. So war ihr das Thema „Ökologische Verkehrswende mit einem weiteren Ausbau der umweltfreundlichen Mobilität“ ein großes Anliegen nicht zuletzt auch wegen der schwierigen Diskussion einer Umfahrung von Gessertshausen, ihrem Heimatort. Die Stärkung des ÖPNV mit Ausbau der Straßenbahnlinien in die Region, der Einsatz für die Reaktivierung der Staudenbahn, den Bau des dritten Gleises, die Einführung eines abgestimmten dichten Regio-Schienen-Taktes sowie für eine gutes und sicheres Radwegkonzept, war für sie wie für uns die logische Konsequenz, wenn man  das Feinstaub- , das CO2-Problem und das Problem des Flächenverbrauchs konsequent angehen möchte. Immer mehr Straßen lösen genau diese Probleme nämlich nicht.  Mobilität auch für diejenigen, die kein Auto haben, ist wichtig für eine zukunftsfähige und chancengerechte Gesellschaft, denn Mobilität ist eine wichtige Voraussetzung für Teilhabe; deshalb kommt dem ÖPNV auch eine soziale Aufgabe zu- und deshalb muss der ÖPNV für alle ein bezahlbares Angebot bieten.

Die heftig kritisierte Tarifreform ist ein Beispiel dafür, dass alles was gut ist noch lange nicht glänzt. Die Reform ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es wurden aus unserer Sicht gerade im Abo-Bereich für Pendlerinnen und Pendler neue positive Strukturen geschaffen, die im Vergleich zu anderen Großstädten wie München, Nürnberg und Würzburg mit Abstand im Preis günstiger sind. Auch für Gelegenheitsfahrer*innen stehen wir hier im Vergleich nicht schlechter, sondern besser da als in den genannten Großstädten.

Aber auch wir sehen noch Korrekturbedarf, der in einer Fortschreibung der Tarifreform münden muss. Zielmarke ist für uns ein 360 Euro Jahresticket für den Gesamtraum, denn nur so können die o.g. Probleme gemindert werden.

Dass der Landkreis zusätzlich zu den Ausgaben für den AVV ein verbessertes ÖPNV-Angebot aus dem Kreishaushalt finanziert, begrüßen wir ausdrücklich. Dennoch muss für die Zukunft diskutiert werden, was uns umweltfreundliche Mobilität für Alle wert ist. Wir sind der Meinung, dass für den ÖPNV mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss und das nicht nur vom Landkreis. Gefordert sind hier in erster Linie auch das Land und der Bund. Wie man der Presse in den letzten Tagen entnehmen konnte, ist genau in dieses Thema „notgedrungen“ Schwung reingekommen, da der politische Druck (von EU-Ebene) wächst, gegen die schädlichen Auswirkungen des PKW-Verkehrs etwas zu unternehmen. Es sollen „kostenlose ÖPNV-Angebote in bestimmten Städten“ versuchsweise angeboten werden. Wir sind gespannt, wie es weiter geht.

Es ist gut, dass auf unsere Initiative hin, im April eine Kreistagssitzung zu den großen Verkehrsthemen unserer Region stattfinden wird. Je geschlossener und entschlossener der Landkreis auftritt, desto besser sind die Chancen hier voranzukommen.

Auch die Stärkung des Radverkehrs als umweltfreundliches Verkehrsmittel ist ein wichtiger Baustein in einem umweltfreundlichen Verkehrskonzept. Wir sind daher sehr froh, dass mit der Einstellung der Radverkehrsbeauftragten Frau Hartung die Voraussetzungen für die Erarbeitung und dann auch Umsetzung einer integrierten Radverkehrspolitik verbessert wurden.

Ohne soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Chancengleichheit, ohne Solidarität und ehrenamtliches Engagement, ohne Eintreten für eine demokratische und tolerante Gesellschaft gibt es keine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung unseres Gemeinwesens. Schlagzeilen wie „Angst vor sozial Schwachen“ in der AZ vom 7.02.18 machen dies sehr deutlich. Deshalb kommt dem Bildungsbereich und dem gesamten sozialen Bereich aus unserer Sicht eine sehr große Bedeutung zu.

Karin Kowalke war Mitglied des Jugendhilfeausschusses, soziale Themen, die Anliegen von Kindern, Jugendlichen und Familien lagen ihr besonders am Herzen. Offenen Fragen ging sie nach, sie wollte verstehen und Antworten zu finden. So versuchte sie z. B.  dem stetigen Anstieg der Kosten für die Heimunterbringung nachzugehen und zu diskutieren, welche Möglichkeiten der Landkreis hat, die Situation von Kindern, Jugendlichen und Familien zu verbessern. Noch nach der letzten Sitzung des JHA erklärte sie uns, dass die Präventiv-Jugendhilfelandschaft des Landkreises sehr gut aufgestellt ist. Deutlich wurde aber, dass es zum Beispiel große Probleme gibt, gerade auch für Familien mit Kindern und Alleinerziehende entsprechenden bezahlbaren Wohnraum zu finden. Es gibt auch zu wenige Plätze für obdachlose Frauen und Männer; für Frauen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind gibt es zu wenige Plätze in Frauenhäusern.

Mit Anträgen haben wir versucht, das zentrale Thema Wohnungspolitik in die zuständigen Ausschüsse zu bringen; zum Teil mit Erfolg; so wird der Geschäftsführer der WBG über die Projekte und Vorstellungen der WBG berichten und es soll einen Runden Tisch zum Thema Wohnen geben. Wir denken, dass der Landkreis zur Bewältigung des Wohnungsproblems etwas beitragen muss und kann: zum einen über mehr Wohnungsbau der WBG; um die nötigen Flächen dafür zu bekommen, sind neben der intensiven Zusammenarbeit mit Kommunen, Investoren und Grundstückseigentümern, kreative Ideen gefragt, z. B. die Überbauung von Parkplätzen, wofür es in der Praxis schon Beispiele gibt, zum anderen aber auch durch niederschwellige Angebote: Umzugsberatung und -hilfe; Unterstützung bei Vermietung,   Wohnungstauschprojekte usw.

Die Ausgaben für Betreuung, Erziehung, Bildung und Förderung haben in der Gesamtsumme des Jugendhilfehaushalts einen großen Anteil; hier kann und darf nicht gespart werden, da es um die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen geht. So begrüßen wir den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung, allerdings müssen wir hierbei ein Auge darauf haben, dass die Qualität der Betreuung und die Angebotsvielfalt den Bedürfnissen der Kinder und Eltern gerecht werden. Unsere Fraktion unterstützt daher auch Maßnahmen zur Stärkung des Tagesmütterangebots, die auch aufgrund eines GRÜNEN Antrags zur Beratung und Beschlussfassung anstehen. Ausdrücklich begrüßen wir die Entscheidung des Kreises, die Sozialarbeit an den Grund- und Mittelschulen zu stärken, wobei hier sicherlich noch ein größerer Bedarf in Zukunft abzudecken sein wird. Auch hier ist aus unserer Sicht ein größeres finanzielles Engagement des Freistaats gefordert.

Die Maßnahmen des Landkreises zur Integration und Inklusion sind für ein soziales Miteinander und für eine zukunftsfähige Gesellschaft unabdingbar. So ist es wichtig, dass zur Umsetzung des Aktionsplans Inklusion (15.000) und für die Öffentlichkeitsarbeit für die Belange von Menschen mit Behinderung (1000) jedes Jahr Geld im Haushalt eingestellt ist. Es ist auch erfreulich, dass einige der insgesamt 22 Maßnahmen zur Umsetzung des Aktionsplans Inklusion für den Landkreis mittlerweile angegangen wurden, wobei das meiste jedoch langfristige Aufgaben sind. So sind im Haushalt 2018 konkret Mittel für die Audit-Gruppe “ Barrierefreier Landkreis“ und die Überprüfung der Gaststätten auf Barrierefreiheit enthalten. Die Entscheidung, das Personal hierfür moderat aufzustocken (Frau Manhart 20 Wochenstunden), wird von uns voll und ganz mitgetragen; ebenso der Ausbau der Familienbüros und Familienstützpunkte, die Etablierung des Bildungsbüros, die Einstellung der Bildungskoordinatorinnen und Integrationslotsen; jeder Euro ist hier gut angelegt.

Diese Einrichtungen sind kein Selbstzweck. Sie müssen die Möglichkeit haben, effizient und zielgenau zum Wohl der Betroffenen arbeiten zu können. Deshalb ist es wichtig, dass z. B. unsere Bildungskoordinatorinnen aus den Bedarfen, die sie festgestellt haben, jetzt Maßnahmen entwickeln und in die Umsetzung bringen können. Bildung ist ein immerwährendes „Projekt“, das nie abgeschlossen sein wird. Bildungsvermittlung ist ein wichtiger Schlüssel zur Integration, zu Chancengleichheit. Deshalb stimmen wir einer Entfristung der Verträge ausdrücklich zu.

Bildung braucht angemessene Lernorte. Neben den Schulen gehört für uns hier auch die Jugendfreizeiteinrichtung Rücklenmühle dazu, deren Sanierung und Ausbau wir unterstützen. Mit dem neuen Schmuttertal- Gymnasium und dem Neubau des beruflichen Schulzentrums, sowie den Sanierungen und Erweiterungen einer ganzen Reihe von Schulen hat der Landkreis einen wichtigen Beitrag zur Bereitstellung optimaler Lernorte und Lernvoraussetzungen geleistet. Die weiteren Maßnahmen, wie den dringend nötigen Neubau des Paul-Klee- Gymnasiums und die ebenso dringende Generalsanierung des Justus-von-Liebig Gymnasiums unterstützen wir deshalb. Wir werden hier, wie schon bei den früheren Maßnahmen allerdings ein waches Auge auf eine nachhaltige und zukunftsfähige Umsetzung der Maßnahmen haben, Energieverbrauch und die Stromgewinnung aus regenerativen Energiequellen sind hier für uns wichtig.  Ein wichtiges Anliegen ist uns noch die Montage der beschlossenen Photovoltaikanlage auf dem Dach der beruflichen Schulen und die Errichtung der von der Schulgemeinschaft initiierten erlebnispädagogischen Maßnahme, die nun dankenswerter Weise auch von Landrat Sailer unterstützt wird. Dann ist das Berufliche Schulzentrum fertig.

Zum Scheitern der Kreisenergiewerke und der Regionalen Energieagentur möchte ich in diesem Zusammenhang nicht mehr viel sagen. Wir sind jedoch zumindest froh darüber, dass das eingesparte Geld weiterhin für Klimaschutzaktivitäten des Landkreises zur Verfügung steht.

Uniklinikum – Messe – Innovationspark – AVV – GVZ sind nur einige Themen bei denen ohne gute Zusammenarbeit der verschiedenen Gebietskörperschaften nur schwer etwas vorangeht. Für eine nachhaltige und zukunftsfähige Weiterentwicklung unseres Landkreises halten wir eine vertrauensvolle und partnerschaftliche regionalen Zusammenarbeit für unabdingbar.

Danke allen, die an einem guten Zusammenleben in unserem Landkreis mitwirken und allen, die es ermöglicht haben, dass wir heute den Haushalt 2018 so wie er vorliegt, beschließen können. 

Danke Karin für dein großes ehrenamtliches und politisches Engagement, für die gute Zusammenarbeit und die vielen Anregungen die du in unsere Fraktions- und Kreistagsarbeit eingebracht hast. Du wirst uns fehlen.

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