Rede zum Haushalt vom 22. Februar 2021 – Silvia Daßler

Sehr geehrter Herr Landrat, verehrte Damen und Herren der Verwaltung, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Kreistages,

vor fast genau 11 Monaten, am 15. März 2020 wurde ein neuer Kreistag gewählt. Wir GRÜNE wurden zweitstärkste Kraft – doch feiern, sich treffen und so richtig freuen konnten wir uns nicht, denn bereits einen Tag später gingen wir in den ersten Lockdown, ein Begriff, den inzwischen alle kennen und der seither viele Abläufe in unserem Alltag bestimmt. Schulen und Geschäfte wurden geschlossen, Veranstaltungen abgesagt, Kontakte eingeschränkt. Videokonferenzen mit manchmal unzureichenden Internetverbindungen, AHA-Regeln und Corona-Ampel, Inzidenzwerte und die Vor- und Nachteile verschiedener Impfstoffe, Impflisten und Impfdrängler, Präsenz- und Wechselunterricht, Homeoffice bestimmen unseren Alltag. Ein Virus, das wir nicht sehen, hören oder schmecken können hat uns vor Augen geführt, wie verletzbar wir Menschen und unsere Systeme sind.

Und so startete auch unser Kreistag in die neue Wahlperiode in denkbar schwierigen und herausfordernden Zeiten und in Bezug auf die Frage, wer mit wem nun zusammenarbeitet, ausgesprochen holprig. Was wir sehr bedauern ist, dass wir als zweitstärkste Fraktion aus wichtigen Gremien wie die des AVV und der Wohnungsbaugesellschaft rausgehalten wurden. Ich kann Ihnen aber versprechen: Das wird uns nicht davon abhalten, uns deutlich zu den drängenden Fragen der Wohnungspolitik und des ÖPNV zu äußern und genau zu schauen, was hier passiert oder eben nicht passiert.

Diese Pandemie hat uns allen, aber manchen Menschen ganz besonders viel, abverlangt: Pflegekräften, Paketzusteller*innen, Erzieher*innen, Ärztinnen und Ärzten und im Besonderen auch unseren Kindern, Schüler*innen, Eltern und der Lehrerschaft. Unsere Fraktion möchte sich bei ihnen allen für ihre hoch engagierte Arbeit und ihr Durchhaltevermögen bedanken.

Natürlich werden in dieser – für uns alle – neuen Situation Fehler gemacht und diese müssen auch benannt werden, um es dann besser zu machen. Aber eines muss klappen: Regelungen, Verbote und Anordnungen müssen verhältnismäßig, nachvollziehbar und vor allem umsetzbar sein. Das ist eine wichtige Voraussetzung für sozialen Zusammenhalt und das Vertrauen in Politik.

„Krisen sind nicht das Problem, sie zeigen uns wo die Probleme liegen“.

Unsere Kämmerin Frau Seybert hat uns gleich in der ersten Vorstellung des Haushaltsentwurfs im Dezember 2020 mit den Problemen des Kreishaushalts konfrontiert: mit einem Defizit von ca. 6 Millionen Euro im VermHH nach Rücklagenentnahme und Kreditaufnahme.

Ich würde jetzt nicht sagen, dass wir uns in einer Haushaltskrise befinden, aber die strukturellen Probleme unseres Haushalts wurden deutlich: geringe Steigerung der Umlagekraft bei Anhebung der Bezirksumlage, hohe Investitionen für die in Vorleistung gegangen werden muss, allein im Bereich Gebäudemanagement sind coronabedingt Mehrkosten in Höhe von 550.000.-€ entstanden, Tariferhöhungen und auch Personalzuwächse, aufgrund gestiegener Anforderungen und neuer Aufgabenzuweisungen.

Nachdem alle Ausschüsse den jeweiligen Haushalt Seite für Seite nach Einsparungen durchforstet haben, liegt nunmehr für 2021 ein ausgeglichener Haushalt vor – ohne auf Luftschlösser zu bauen. So ist z.B. aus unserer Sicht die Erhöhung des Ansatzes für die Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer um eine Million aufgrund der Fakten -sprich den Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt und dem Rechnungsergebnis aus 2020- gerechtfertigt. Wer das so nicht möchte, muss auch sagen, woher das Geld kommen soll, um den HH auszugleichen.

Keine Erhöhung der Kreisumlage

So konnten wir in diesem Jahr noch auf eine Erhöhung der Kreisumlage verzichten. Aber es muss klar sein, dass wir im Jahr 2022 aus heutiger Sicht um eine Erhöhung nicht herumkommen, da uns insbesondere eine gestiegene Bezirksumlage zu diesem Schritt zwingen wird.

Zustimmung zur Ausschöpfung des Kreditrahmens

Auch die volle Ausschöpfung des von der Regierung von Schwaben limitierten Kreditrahmens wird von unserer Fraktion mitgetragen.

Den Investitionen für Schulneubau und Schulsanierungen stehen Werte für die nächsten Jahrzehnte gegenüber; deshalb könnte man auch durchaus darüber diskutieren, ob diese von der Regierung von Schwaben vorgegebene 35 %-Quote für Kreditaufnahmen auch bei Investitionen in Schulneubauten und Schulsanierungen ihre Berechtigung hat. Diese Diskussion sollte in Vorbereitung auf die nächsten Haushalte 2022 und 2023 geführt werden, denn hier werden weitere Investitionsmittel in Millionenhöhe gebraucht.

Die Folgen von Corona auf die kommunalen Haushalte werden sich ab 2022 zeigen, wenn Einnahmen wegbrechen, ohne von Bund und Land kompensiert zu werden und gleichzeitig höhere Ausgaben nötig werden.

Ich möchte an dieser Stelle Frau Seyberth sehr danken. Ihr 23-seitiger Kurzvorbericht zum Haushaltsentwurf ist so erklärend, dass sich einem das Innenleben des Kreishaushalts tatsächlich erschließt. Vielen Dank für diese Unterstützung.

„Krisen sind nicht das Problem, sie zeigen uns wo die Probleme liegen.“

Deutlich wurde dies im Bereich der Digitalisierung. Hier wurde offenbart, was in den letzten Jahren bayernweit versäumt worden ist z.B. bei der Digitalisierung der Schulen.

Im Vergleich zu vielen Flecken in Bayern hat unser Landkreis zum Glück schon frühzeitig in die Digitalisierung investiert. Nichtsdestotrotz haben auch wir noch einen großen Nachhohlbedarf, z. B. wenn es darum geht, jedes Klassenzimmer mit einem Accesspoint zu versorgen, damit hybrides Lernen möglich ist.

Viele Probleme, die wir hier haben, liegen jedoch in der Verantwortung der Bayerischen Staatsregierung.

So ist es nach wie vor ein Unding, dass noch immer hauptamtliche IT-Betreuer*innen an den Schulen fehlen. Lehrkräfte als Systembetreuer*innen leisten Großartiges, sind aber für diese Mammutaufgabe niemals ausgebildet worden und machen dies meist zusätzlich.

Dass die kostenlose MS-Teams-Variante zum Ende April (Stand heute) im laufenden extrem schwierigen Schuljahr abgeschaltet werden wird, ohne einen adäquaten Ersatz zu haben, ist nicht nachvollziehbar und wird noch für Probleme sorgen. Daneben braucht es mehr digitale Fort- und Weiterbildungen der Lehrkräfte und veränderte Lehrpläne.

Homeoffice – Homeschooling – Kurzarbeit – Existenzängste – es ist gerade sehr viel, was den Familien abverlangt wird. Schulen und Kitas möglichst wieder in den Regelbetrieb zu bekommen und so auszustatten, dass das so bleiben kann, ist aller Anstrengung wert. Deshalb begrüßen wir es sehr, dass der Landkreis seine Schulen mit CO2-Ampeln und Luftreinigungsgeräten ausstattet. Das allein reicht jedoch nicht aus, es braucht z.B. auch Schnelltests in den Schulen und Impfungen für Lehrer*innen und Erzieher*innen. Dafür liegt bis heute – am Tag der Rückkehr der Kinder in Kitas und Grundschule – noch kein Konzept vor.

Deshalb appellieren wir an die Landespolitiker*innen in diesem Gremium, sich in München umgehend dafür einzusetzen, dass Schulen auch tatsächlich ihrem Bildungsauftrag nachkommen können. Immer neue, kurzfristige Vorgaben aus dem Kultusministerium sorgen für berechtigten Ärger und auch Sorgen auf allen Seiten. Deshalb auch an die Freien Wähler hier im Saal: Bringen Sie ihren Kultusminister endlich in die Gänge.

Krisenzeiten können auch Zeiten sein, in denen zuvor so nicht für möglich gehaltene Dinge plötzlich möglich sind,

weil z.B. die Mitarbeiter*innen hier im Haus weit über das normale Maß hinaus daran gearbeitet haben, sie möglich zu machen.

Das Erstellen von Hygieneplänen, die Einrichtung einer großen Anzahl an Homeoffice-Plätzen bis zur Organisation wichtiger Veranstaltungen im Online-Format, wie zuletzt die Klimaschutzkonferenz. Vielen Dank dafür.

„Krisen sind nicht das Problem, sie zeigen uns wo die Probleme liegen.“

Ich möchte dies ergänzen: „Wenn wir diese Probleme dann trotz der Erkenntnis nicht lösen, dann bekommen wir eine Krise, die zum Problem wird.“

Um es ganz deutlich zu sagen: Wir haben nicht nur eine „Coronakrise“, wir haben seit vielen Jahren eine Klimakrise und dieser müssen wir uns stellen, denn sie ist existenziell.

Ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz ist und bleibt eine umweltverträgliche Mobilität, ein attraktiver ÖPNV.

Die Auswirkungen von Corona auf den ÖPNV mit weniger Fahrgästen und gleichzeitig höheren Kosten beispielsweise für Corona-konforme Nachrüstung der Busse dürfen den Ausbau des ÖPNVs nicht ausbremsen.

Wir unterstützen daher nachdrücklich die Einführung des On-Demand-Verkehrs für die Region Holzwinkel, Altenmünster, Zusmarshausen und Horgau. Das ist ein wichtiger Schritt für bessere Querverbindungen unter den betroffenen Gemeinden, auch wenn wir uns z.B. eine Anbindung an den Bahnhof Dinkelscherben gewünscht hätten. Das muss in einem nächsten Schritt kommen.

Wir freuen uns, wenn das 365.-€-Ticket für die Schüler*innen nun wohl endlich umgesetzt wird. Doch auch hier müssen wir weiter gehen, um voranzukommen: 365.-€ Ticket für die Studierenden, aber am besten schnell das 365.-€-Ticket für Alle. Hierfür brauchen wir eine klare Perspektive, einen Zeitplan. Wir warten gespannt auf die Evaluationsergebnisse der Tarifreform und die Folgerungen daraus und wir warten auf die versprochenen Hilfen aus München für die Verkehrsverbünde.

Glücklicherweise sind auch viele Menschen während Corona auf das Rad umgestiegen.

Diese neu umgestiegenen Radfahrer*innen wollen wir bei der Stange halten und noch möglichst viele Neue dazu gewinnen. Deshalb müssen wir mit dem Ausbau des Radwegenetzes und besonders der Radschnellwege vorankommen.

Die Probleme sind – zumindest von den Meisten – erkannt. Ziele und Maßnahmen sind beschlossen, wir müssen sie aber konsequent umsetzen.

Deshalb sagen wir Ja zu massiven Verbesserungen im ÖPNV und im Radverkehr, Ja zu klimaneutralem Bauen, Ja zu Photovoltaikanlagen auf den Gersthofer und Neusässer Gymnasien, Ja zum Klimacheck, Ja zum Ausbau des kommunalen Energiemanagements, Ja zum fairen Landkreis und Ja zu einer nachhaltigen Finanz- bzw. Divestmentstrategie, wie wir sie zuletzt mit unserem Antrag vom 22.01.2021 eingefordert haben.

„Krisen sind nicht das Problem, sie zeigen uns wo die Probleme liegen.“

Kürzungen im Gesundheitswesen, eigenwillige Finanzierungsmodelle für die Krankenhäuser, Einsparungen an vielen Ecken und Enden haben sich nun gerächt und das Ärzte- und Pflegepersonal musste über die Grenzen der Belastbarkeit arbeiten. Was Corona für finanzielle Folgen für unsere Krankenhäuser haben wird, ist noch nicht in vollem Umfang absehbar. Wir sind gespannt, was aus Gesundheitsminister Spahns Versprechen wird, Zitat: „Keine Klinik wird wirtschaftlichen Schaden nehmen“. Klar ist aber, dass sich in Bezug auf das Pflegepersonal endlich etwas tun muss. Einmalzahlungen allein genügen nicht.

Corona belastet uns alle, aber einige Menschen trifft es besonders hart. Deshalb muss alles dafür getan werden, um die sozialen Folgen von Corona aufzufangen. Es geht hier um nicht weniger als Chancengerechtigkeit und sozialen Zusammenhalt.

So verzeichnet der Kreisjugendring aktuell ein verstärktes Suchtverhalten bei jungen Menschen (AZ vom 17.02.). Studien belegen, dass vor allem Frauen und Kinder vermehrt Opfer von häuslicher Gewalt werden; Fachleute gehen davon aus, dass die Schere im Bildungsbereich noch weiter auseinandergehen wird. Deshalb braucht es einerseits gute Präventionsarbeit und andererseits Maßnahmen, um den sozialen Problemen entschlossen entgegenwirken zu können. Ob die dafür eingestellten Haushaltsmittel reichen werden, wird sich wohl erst im Laufe des Jahres zeigen.

So sind wir zwar froh, dass das Platzangebot im Frauenhaus ausgebaut wird, allerdings befürchten wir, dass dies nicht ausreichen wird.

Wir meinen auch, dass die Schulsozialarbeit gerade jetzt weiter ausgebaut werden muss, um diejenigen Schulkinder besser unterstützen zu können, die wegen Homeschooling und Wechselunterricht für ihre Lehrer*innen schwerer erreichbar sind und nicht die nötige Unterstützung haben.

Jugendarbeit muss stattfinden und wir müssen unsere Angebote im Bereich der Präventionsarbeit ausbauen.

Noch eine letzte Anmerkung:

Weder bei der Coronakrise noch bei der Klimakrise wollen wir uns an Leugnern und Egoisten abarbeiten, wir wollen den vielen Menschen danken, die solidarisch sind, die sich für die Gemeinschaft und eine zukunftsfähige Entwicklung unseres Landkreises einsetzen. Danke Ihnen allen. Ich wünsche uns eine kommende Corona-freie Zeit mit vielen persönlichen Begegnungen und tollen Veranstaltungen mit und von unseren Kulturschaffenden im Landkreis.

Die Fraktion von Bündnis 90/ Die GRÜNEN stimmt dem Haushalt 2021 zu.

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